4. Das Land im Dämmerlichte der Geschichte.
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und Bergnamen weisen aus die einstigen keltischen Bewohner des Landes zurück, wie die der Isar, des Lechs, Inns u. a. Die Erhaltung aller dieser Namen beweist auch, daß die keltische Bevölkerung keineswegs von den Römern ausgerottet wurde, wie man früher vielfach annahm, sondern daß sie unter römischer Herrschaft im Lande wie bisher fortlebte.
Die Zivilisation des Volkes war eine augenscheinlich sehr entwickelte, die Wohnstättenfuude lassen auf eine gewisse Behaglichkeit der Wohnungen und auf deren Ausstattung mit vielem Luxnsgeräte, wie Spiegeln, Bronzefiguren, Glasgefäßen, Zierat aller Art schließen; die Körperpflege wird durch die in Grabfunden vorkommenden Bartmesser, Haarscheren, Züngelchen u. a. als eine schon verfeinerte erwiesen. Gewebespuren an den Eisen- und Holzresten der Gräbersunde sowie die vielen Fibeln deuten auf das Tragen von Leibröcken und Mänteln, von langen Frauenkleidern und Kopfschleiern 2c. hin. Der reiche Frauenschmuck steht dem der provinzial-römischen Zeit nicht nach.
Auch die von Cäsar geschilderten gallischen Verteidigungsanlagen und Zufluchtsstätten (oppida) finden wir in unserem Lande. Der große Ringwall von Manching ist solch eine Volksberge in Kriegsnöten, wie ähnliche in Baden (Zarten) und Böhmen (Stradonitz) bekannt sind. Auch die eigentlichen Befestigungen an Flüssen, wie z. B. an der Isar, der Mangs all, dem Lech, welche unter dem Namen Bürgen, Burgen im Volke bekannt sind, rühren aller Wahrscheinlichkeit nach von den Vindelikern her und stammen vielleicht aus deren letzten blutigen Kümpfen mit den Römern um ihre Unabhängigkeit.
Wir finden also unmittelbar vor der römischen Eroberung des Landes das Volk ans einer hochentwickelten, national eigentümlichen Kulturstufe, mehr oder-minder zivilisiert, in festem staatlichen Gefüge, mit gegliederten sozialen Ständen, einem entwickelten Industrie- und Handwerksbetrieb, einem eigentümlichen, ausgebildeten Ackerban, in Städten und Dörfern wohnend, mit Verteidigungsanlagen und Volksburgen.
Zum erstenmal ist der Schleier, der über den Völkern der Vorgeschichte lagert, etwas gelüftet. Wir kennen die Stammeszugehörigkeit und den Namen des Volkes und vieler seiner Städte. Weit abgerückt ist seine Kultur von den uns mythologisch anmutenden dunklen Lebensverhaltnissen der vorgeschichtlichen namenlosen Völker, die aus unserem Boden vorher wohnten.
Diesen keltischen Stämmen der Vindeliker und Noriker, die ihre Wohnsitze noch behauptet hatten, als ihre nördlich angesessenen Stammverwandten, die Helveter und Bojer, schon dem Ansturm der Germanen weichen mußten, war es beschieden, daß sie mit den erprobten, festgefügten Legionen und der überlegenen Staatskunst Roms den Kamps aufnehmen mußten. Der Ausgang war schon mit Rücksicht auf die beiderseitigen Machtverhältnisse nicht zweifelhaft, auch wenn die keltischen Stämme nicht, wie wir dies von den Galliern durch Cäsar bezeugt wissen, an steter Uneinigkeit gelitten hätten und politisch in fester Hand zusammengehalten gewesen wären. Die Vindeliker erlagen im Jahre 15 v. Chr.
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12. Die Ungarnschlacht an der Ennsburg.
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12. Die Ungarnschlacht an der Ennsburg (am 5. Juli 907).
Von Friedrich Beck.')
1. Die Völker des Ostens, sie bringen heran,
Sie zeichnen mit Flammen und Blut die Bahn,
Sie brausen einher wie Sturmesroinb —
Weh Deutschland bir, bich leitet ein Kind!
2. Und Ludwig bebt: „Wer schützt mir die Mark?
Auf, Bayerns Herzog, so kühn und stark!“
Der spricht: „Ich wahre bir treuen Sinn,
Und willst bu mein Leben, ich geb' es bir hin!"
3. Sie rüsten die Waffen, die spiegelnbe Wehr,
An der Ennsburg schart sich der Deutschen Heer.
Wo die Donau strömet vorbei mit Macht,
Da lagern im Felb sie bei bunkler Nacht.
4. (Ermattet vom Zuge, wie schlafen sie tief!
Doch roarnenb die Stimme des Wachters rief:
„Die Feinde stürmen !" Er rief es in Eil';
Schon stürzt er, getroffen vom Tobespfeil.
5. Und im Flusse, so schaurig, ba rauscht es und schäumt, Erwacht, ihr (Betreuen! Nicht länger gesäumt!
Dort schwimmt es und klimmt es am Uferranb ;
Schnell greifet zum Schwerte, zum Eisengewanb!
6. Unholben vergleichbar im nächtlichen Traum Umschwammen die Heiben des Lagers Raum.
Mit funkelnbem Blick in die (Ehristenfchar Stürzt gierig des Morbes der toilbe Magyar.
7. Rings schallt es von Hieben, Geschrei und Stoß,
Aus tiefen Wunben das Blut entfloß.
Und wie sich die (Ebne vom Morgen erhellt,
Deckt manche Leiche das Würgefelb.
8. Und als sich nun Freunb und Feind erkannt,
Ist Heller am Tage ihr Zorn entbrannt.
Sie ringen in grauser Vertilgungsschlacht —
Da bunkelt aufs neue hernieber die Nacht.
9. Doch stünblich mehrt sich des Feinbes Wut Und Horb' um Horde, sie lechzt nach Blut.
Nicht wanken die Deutschen am zweiten Tag;
Am britten enblich die Kraft erlag.
l) Gedichte, S. 189 ff. München 1844. Lit. art. Anstalt. Kronseder, Lesebuch zur Geschichte Bayerns.
4
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Beck Friedrich Ludwig Ludwig
Extrahierte Ortsnamen: Ennsburg Ennsburg Deutschland Bayerns Ennsburg Donau Schwerte Bayerns
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13. Markgraf Luitpolds Heldentod in der Ungarnschlacht.
10. Da stürzt entseelt manch tapfrer Abt,
Manch Bischof, edel und mutbegabt.
Der Markgraf teilte der Seinen Not Und sank mit ihnen im Heldentod.
11. Herr Luitpold war es, der Schyren Ahn,
Der erste auf Wittelsbachs Ehrenbahn.
Er gab sein Leben dem Vaterland;
Drum bleibe sein Name mit Preis genannt!
13. Markgraf Luitpolds Heldentod in der Ungarnschlacht (907).
Don Hugo Arnold. *)
Schlimme Tage sah Deutschland zu Beginn des 10. Jahrhunderts; denn sein Szepter führten die schwachen Hände eines 13 jährigen Knaben und im Osten und Westen an seinen Grenzen erhoben sich mächtige Feinde, deren Ansturm die Schöpfung des großen Karl mit schweren Gefahren bedrohte.
Mit festen Bollwerken hatte dieser das Reich gegen Osten gesichert, ein Gürtel von Marken schirmte es: die böhmische Mark im bayerischen Nordgau, die Ostmark im Lande von der Enns bis zum Wienerwalde nebst Ober- und Unterpannonien bis zur Drau in dem Gebiete, welches den wilden Avaren in drei Kriegen abgenommen worden war, und Kärnten nebst seinen Neben-
ländern. Die Avaren zwar waren seitdem verschwunden, aber statt ihrer waren in den ungarischen Tiefebenen die Magyaren oder Ungarn erschienen, ein Volk finnisch-uralischen Stammes, welches die Petschenegen aus ihren Siedelungen zwischen den Mündungen der Donau und des Dniepr verdrängt hatten. Sie suchten neue Wohnsitze im Westen. Das erstemal erschienen
sie im Jahre 862 an den deutschen Grenzen, 894 sielen sie in die pannonische Mark ein und richteten große Verheerungen an. Sechs Jahre später erfolgte ihr erster Einbruch in Bayern, wobei sie einen Landstrich von zehn Meilen
in der Länge und Breite mit Feuer und Schwert verwüsteten. Ans die Nachricht davon wurde der bayerische Heerbann aufgeboten, aber vor seinem Eintreffen war bereits das ungarische Hauptheer mit seiner Bente heimgekehrt und nur eine Seitenkolonne wurde auf dem linken Donauufer von den Bayern eingeholt und in einem glänzenden Kampfe vernichtet. Zum Schutze der Grenze erbauten dann die Sieger eine starke Feste, die Ennsburg, wozu sie die Bausteine aus den Trümmern der alten, in Ruinen liegenden Römerbefestigung Lauriacum (d. H. Lorch) herbeiholten.
Luitpold hieß der glückliche Feldherr der Bayern. Er war mit den Karolingern nahe verwandt, wahrscheinlich durch Kaiser Arnulfs Mutter Liutswinde, und nahm unter den bayerischen Großen durch seine Macht die erste Stelle ein; denn er war Gras im Donaugau und hatte von Kaiser
*) Ssgl. „Das Bayerland", 3. Jahrgang, 1892, Nr. 5, S. 51 ff.
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Extrahierte Personennamen: Luitpolds_Heldentod Luitpold Wittelsbachs_Ehrenbahn Luitpolds_Heldentod Hugo_Arnold Karl Karl H._Lorch
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Ostmark Ungarn Donau Bayern Lauriacum Bayern Donaugau
13. Markgraf Luitpolds Heldentod in der Ungarnschlacht.
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Arnulf dazu noch die böhmische Mark, die kärntnische Mark und Oberpannonien verliehen erhalten. Welchem Geschlechte er angehörte, läßt sich mit vollkommener Sicherheit nicht angeben, aber unser vortrefflicher Geschichtschreiber Siegmund von Riezler hat mit triftigen Gründen die hohe Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, daß er von den Housiern abstammt, von jener Familie des alten bayerischen Hochadels, welche nach dem Herzogshause der Agilolfinger die mächtigste und vornehmste war. Und Luitpold selbst wurde der Vater eines ruhmvollen Geschlechts, das die Forscher mit seinem Namen verknüpfen und von dem sie wiederum mit nahezu völliger Bestimmtheit die Grasen von Scheyern, die Vorfahren der erlauchten Grasen von Wittelsbach ableiten, so daß er mit Fng und Recht als der Ahnherr unseres Königshauses gilt.
Schlimm stand es damals um Deutschland. Während im Westen die Normannen die Küsten und die Uferlande plünderten, wütete:: verheerende Fehden im Innern des Reiches, namentlich der blutige Zwist zwischen den Babenbergern und den Saliern, so daß die Ungarn ihre Einfälle in die bayerischen Grenzlande alljährlich wiederholen konnten. Genauere Nachrichten darüber sind uns nicht überliefert; aber wir wissen, daß sie in den Jahren 901, 902, 903 Niederlagen erlitten, daß 904 ihr Anführer Chuffal von den Bayern zum Gastmahle geladen und hier samt seinem Gefolge erschlagen wurde.
Wie einst die Hunnen, die ebenfalls in den Pußten Ungarns hausten, waren sie gefürchtete Feinde. Ihr stürmischer Angriff war unwiderstehlich, ihre Todesverachtung im Kampfe war unerschütterlich, die Schnelligkeit ihrer Pferde entzog sie den Verfolgern, gestattete aber ihnen selbst eine unablässige Verfolgung. Religiöser Fanatismus trieb die wilden Heiden an; denn sie glaubten, daß sie einst im Jenseits so viele Leibeigene zur Bedienung haben würden, als sie Feinde erlegten. Dabei beseelte sie ein derartiger Blutdurst, daß sie auf den Leichen der Erschlagenen wie auf Tischen schmausten und tranken; die gefangenen Weiber und Mädchen banden sie mit deren Haarzöpfen zusammen und trieben sie nach Ungarn. Wo sie hinkamen, zerstörten sie alles, sengten, brannten und vernichteten, was sie nicht mit sich schleppen konnten. Dieser Blutdurst, die unmenschliche Behandlung der Wehrlosen, die Zerstörungswut, dazu die häßliche Erscheinung der kleinen Gestalten mit gelben, breitknochigen Gesichtern und geschlitzten Augen, ließ sie den Deutschen wie höllische Unholde erscheinen und die Schnelligkeit, mit der sie — allerorten den roten Hahn auf die Dächer setzend und das Land in eine Wüstenei verwandelnd — plötzlich mitten im Lande erschienen und hinter den Rauchwolken der niedergebrannten Gebäude mit ihrem Raube wieder verschwanden, trug nicht wenig dazu bei den von ihnen ausgehenden Schreckensbann zu vermehren.
Im Jahre 906 hatten die Ungarn einen bedeutenden Erfolg errungen, unter ihren wiederholten Angriffen war das große Reich der slavischen Mähren
x) Geschichte Bayerns, I, 245 ff.
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44. Karl Ludwigs Rückkehr in die Pfalz.
243
Kurfürst huldigen ließ, von der französischen Besatzung aus der Feste geschossen, die Spanier in Frankenthal trieben am Rheine offen das Raubsystem und das speyerische Bruchsal ward von den Franzosen noch vor dem Abzüge (1651) geplündert. In dem Nürnberger Exekutionsrezeß, wo Karl Gustav die pfälzische Sache kräftig vertrat, hatte man nach vielen vergeblichen Bemühungen Fraukenthal frei zu machen (es war sogar von einer Belagerung durch Reichs-truppen gesprochen worden) endlich sich dahin verglichen (Juni 1650), der Kurfürst solle monatlich 3000 Taler Entschädigung und als Pfand die Reichsstadt Heilbronn erhalten, wo eine ihm allein verpflichtete Besatzung mit 8000 Talern monatlich auf Reichskoften sollte bezahlt werden. Frankenthal selbst sollte in seinen städtischen Verhältnissen ungestört, die pfälzische Bevölkerung von jedem Beitrage zum Unterhalte der dortigen Besatzung befreit sein. Zu solchen Mitteln mußte mau greisen, weil Reich und Kaiser zu ohnmächtig waren ihre eigenen Verpflichtungen zu erfüllen.
So blieb denn auch Frankenthal, das schwergeprüfte, in den Händen der spanischen Truppen; denn diese fanden es fehr bequem sich auf Reichskoften im Besitze der besten pfälzischen Festung behaupten zu können. Karl Ludwig bot aber alles aus und seine Vorstellungen beim Kaiser, bei der kurrheinischen Versammlung zu Frankfurt (1651), seine Erklärung, auch seinerseits die noch übrigen Verpflichtungen nicht erfüllen zu wollen, wenn man das ihm Versprochene länger vorenthalte, bewirkten wenigstens, daß die ^ache nicht einschlief; auch ließ sich nicht verkennen, welche Mühe sich der Kaiser gab seine Verpflichtung zu erfüllen; aber er war über die Truppen seiner eigenen Verbündeten nicht Herr.
Als endlich nach vielen mühseligen Verhandlungen zwischen den Hösen zu Wien und Heidelberg der Auszug nuf den 26. April 1652 festgesetzt war und der Kurfürst Karl Ludwig mit seinem ganzen Hofstaate und einem Heer-hausen von 1800 Mann vor der Festung erschien, wußte der spanische Kommandant Frangipani abermals mit Vorwänden den erwarteten Abzug zu verzögern; wirklich war auch Troß und Gepäck so massenhaft, daß es einiger Vorbereitung bedurfte zu einem vollständigen Abzüge. Bis zum 1. Mai ward der Kurfürst zu Worms hingehalten, dann versprach man ihm, der Auszug werde bestimmt am andern Tage stattfinden; er kam mit seinen Truppen nach Frankenthal und — abermals bat der Gouverueur um Frist; die Truppen, hieß es, hätten heute ihren Sold empfangen, feien jetzt in trunkenem Zustande und bei einem Auszuge müsse man Exzesse besorgen. Nun bestimmte Karl Ludwig den Auszug aus den folgenden Morgen (3. Mai); da zog denn die Besatzung von 1000 Mann hinaus, und obwohl die Hälfte zu Land ihren Marsch eintrat, bedurfte man doch 28 Schiffe, um den Rest samt dem Trosse und den Vorräten fortzubringen.
Wie diese „Verbündeten" des Kaisers in dem ihrem Schutze befohlenen Reiche feit den dreißig Jahren ihrer Anwesenheit gehaust haben mochten, läßt
Ig*
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258 48. Kurfürst Max (Stimmte! itn Türkenkriege 1683—1688.
eine Empörung ausgebrochen, die in Konstantinopel einen Thronwechsel und andauernde Wirren zur Folge hatte.
Am 28. Juli traf Max Emauuel bei der um Peterwardein an der Donau versammelten Armee ein und ließ sofort die Operationen beginnen. An der Einmündung der Save in die Donau gelegen war Belgrad im Westen, Norden und Osten durch breite Wasserläufe geschützt. Ein Angriff war daher nur von Süden her möglich und hierzu mußte die Save überschritten werden. Da das jenseitige Ufer von türkischen Truppen besetzt war, hatte der Kriegsrat gegen einen Übergang Bedenken, aber Max Emanuel wollte keine Zeit verlieren und beschloß den Übergang zu wagen. Hiezu wurden Schiffe aus der Donau auf (Geschützlafetten verladen und auf dem Landwege an die von Max Emanuel auserseheue Übergangsstelle geschafft. Am 8. August um 1 Uhr nachts begann das Übersetzen über den einige hundert Meter breiten Fluß und um Tagesanbruch waren bereits 4000 Monn jenseits angelangt. Da die Türken den Übergang anderswo vermutet hatten, waren nur Vorposten zu überwältigen gewesen, und als stärkere türkische Abteilungen herankamen, hatte der Kurfürst schon soviel Truppen übergesetzt, daß alle Angriffe abgewiesen werden konnten. Unter dem Schutze dieser Avantgarde begann sodann die Herstellung der Schiffbrücke. Diese war am 8. August abends vollendet und nun konnte der Übergang des Hauptteils der Armee vor sich gehen, der die ganze Nacht und den folgenden Tag hindurch fortdauerte. Vor den 40000 Mann, die nun auf dem südlichen Saveufer versammelt waren, zog das etwa 10000 Mann starke türkische Beobachtungskorps, von den bayerischen Husaren verfolgt, in Richtung auf Semendria ab.
Sofort traf nun Max Emanuel die erforderlichen Anordnungen zur Belagerung von Belgrad; zunächst erging Befehl das in Ofen bereitgestellte Belagerungsgeschütz auf der Donau bis Semlin heranznfchaffen. Schon in der Nacht vom 12. zum 13. August wurden die Laufgräben vor der Festung eröffnet und am 17. August konnte die Beschießung der feindlichen Festungswerke aus den bei der Armee schon besindlichen schweren Geschützen beginnen. Am 24. August langte die Belagerungsartillerie aus Ofen an und nun begann der Bau einer größeren Zahl von Angriffsbatterien und sodann eine kräftige Beschießung der Festung. Max Emanuel trieb rastlos vorwärts; unbekümmert um das feindliche Feuer weilte er Tag und Nacht in den Laufgräben. Am 2. September erhielt an seiner Seite der kaiserliche Feldmarschallentnant Prinz Eugen von Savoyen eine schwere Schußwunde am Knie, die ihn für längere Zeit dienstunfähig machte. Um diese Zeit war bereits in die innere Grabenwand Bresche geschossen, und nachdem sodann die äußere Grabenwand mittels Sprengung durch Minen eingeworfen war, konnte Max Emanuel den Befehl zum Sturm geben. Dieser erfolgte am 6. September zugleich au fünf Stellen und wurde von Max Emanuel persönlich geleitet. Als infolge des verzweifelten Widerstands der Türken der Angriff zum Stocken kam, zog der Kurfürst selbst
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70. Die Schlacht bei Hanau am 30. und 31. Oktober 1813. 379
durch die Brigade Zoller ablösen und letztere noch durch das österreichische Regiment Jordis verstärken. Als der Generalleutnant Graf Beckers diese Brigade Persönlich vorführte, drang der Feind mit Übermacht ans dem Walde hervor.
Auch die Division Lamotte hatte um diese Zeit nach heißem Kampfe ihren Rückzug durch Hanau uach Grosz-Auheim angetreten. Ohne Artillerie und Reiterei hatte sich diese brave Infanterie stundenlang gegen die Angriffe weit überlegener, gemischter feindlicher Truppenmassen aufs tapferste behauptet.
Die unaufhörlich aus dem Walde sich entwickelnden Massen drängten endlich den rechten Flügel der Verbündeten an die Lamboybrücke zurück. Die Brigade Pappenheim und 28 Geschütze, welche der bayerische Artilleriegeneral Colonge eins dem linken Kinzigufer auffahren ließ, verteidigten die Zugänge zur Brücke. Die Franzofen zogen sich, nachdem einzelne mutige Grenadierabteilungen bis an die Brücke vorgedrungen waren, wieder in den Wald zurück.
Während die teilweise zerstörte Lamboybrücke die Nacht über besetzt blieb und einer österreichischen Brigade die Verteidigung Hanaus übertragen wurde, vereinigte Wrede seine Truppen in einer Stellung hinter dem Lehrhof und der Afchaffeuburgerftraße, so daß diese vor der Front lies. Wrede nahm sein Hauptquartier in Großanenheim. Später erstreckte sich die Stellung- kinzig-answärts, so daß sie die genannte Straße durchschnitt.
Am 31. morgens 2 Uhr wurde ein Teil der Stadt Hanan in Brand geschossen. Die Österreicher räumten die Stadt, worauf sie von einigen feindlichen Regimentern besetzt wurde. Unter einem heftigen Geschützfeuer von beiden Seiten setzten die Franzosen ihren Rückzug gegen Frankfurt fort. Um 3 Uhr nachmittags beschloß endlich Wrede Hanau wieder zu nehmen und auf das rechte Kinzigufer überzugehen. Dieses Ergreifen der Offensive nach einer blutigen Niederlage ist sowohl für den Feldherrn wie für fein Heer ein Beweis von seltener Tüchtigkeit. Persönlich zog Wrede um diese Stunde an der Spitze von sechs österreichischen Grenadier- und Jägerbataillonen gegen die Stadt, in seiner rechten Flanke durch das wirksame Fencr einer bayerischen Batterie unterstützt. Wrede sprang zuerst in den Stadtgraben um mitten im stärksten Kugelregen durch persönliches Beispiel die Stürmenden anzufeuern und die Einnahme der Stadt zu erzwingen. Das Tor wurde aufgesprengt, alle Eingänge trotz der hartnäckigsten Gegenwehr erobert. Im Laufschritt stürmte mau durch die Stadt die Feinde vor sich hersagend gegen die Kinzigbrücke. Wrede war so rasch vorausgeeilt, daß nur die Spitze der Kolonne hatte folgen können. Mit kaum 20 Grenadieren und Jägern erreichte er die Brücke; da traf ihn eine Flintenkugel in den Unterleib; er sank rückwärts und wurde in ein benachbartes Haus 'gebracht. Die Entfernung des bayerischen Generals brachte eine Stockung in den Gang des Gefechtes. Der Übergang des Heeres auf das rechte Kinzigufer wurde hiedurch verzögert und die Franzofen konnten ihren Rückzug ohne besondere Störung fortsetzen.
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116. Die ersten Siege.
Nun griff auch das 5. Korps von neuem die Stellung von Wörth an. Es gelang den unwiderstehlich vorrückenden deutschen Truppen, das Dorf nach hartnäckigem Widerstande ganz zu nehmen. Die Deutschen drängten in das Dorf, stürmten die Häuser und gingen mit Hurra durch die zwar nicht breite, aber verhältnismäßig tiefe und reißende Sauer. Im jenseitigen Teile des Dorfes nahm der Kampf eine äußerst leidenschaftliche Form an, Haus für Haus mußte genommen werden unter beständigem Granatfeuer des Feindes, der sich auf den Höhen hinter dem Dorfe, auf der Straße nach Fröschweiler, im hochstämmigen Wein verschanzt hielt. Festungsähnlich waren die Stellungen des Feindes. Dazu empfing der Feind die Deutschen mit einem Höllenfeuer. Er hatte die Entfernungen vorher gemessen und sich durch Beseitigung zwischenliegender Gegenstände ein freies Schußfeld gefchaffeu, weshalb er sehr sicher schoß. Die Kugeln der weittragenden Chassepotgewehre fielen so hageldicht in die deutschen Glieder hinein, als würde ein Sack voll Erbsen darüber aus-gegosseu. Man mußte oft fast ausschließlich sich aus dem Bauche weiterarbeiten; denn sobald einer aufstand, war er weggepustet. Und doch wich keiner der Tapferen, ja sie überhörten wiederholt das Rückzugszeichen, immer weiter vorwärts dringend. Unter den französischen Geschützen, die einen Kugelhagel ausspien, machten sich die Mitraillensen durch ihr eigentümlich rauschendes Knattern bemerkbar; sie spielten wie Drehorgeln auf und rasselten, wie wenn schwere Ankerketten niedergelassen würden. Als die erste Ladung dieser Kugelspritzen bei den Deutschen einschlug, pochte manchem das Herz; doch bald gewöhnte man sich an das Schwirren. Aber auch das französische Chassepotgewehr schoß viel weiter und schneller als das deutsche Zündnadelgewehr. Trotzdem stürmten die Deutschen immer weiter aufwärts. Oft erkannten sie dabei die Stellung des verschanzten Feindes nur aus dem aussteigenden Pulverdampse; oft aber auch stürzten die Tnrkos und Zuaven mit gellendem, rasendem Geheul aus den Verhauen plötzlich den Deutschen bis auf 20, ja 5 Schritte entgegen und eröffneten das Handgemenge. Die weißhosigen Tnrkos, diese braunen und schwarzen Schufte, fochten wie der leibhaftige Teufel, gaben niemals Pardon, sie kämpften nicht, sie mordeten und sengten aus bestialischer Leideuschaft. Waren sie selber aber in die Enge getrieben, so warfen sie das Gewehr weg^ fielen auf die Kniee und jammerten um Gnade. Zweimal warfen sich neue französische Kolonnen auf die deutschen Regimenter ihnen Wörth wieder zu entreißen, aber es ward behauptet und während, die deutschen Tambours unaufgefordert Sturm wirbelten, ging es mit Hurra trotz des furchtbaren Feuers vor, bis die Franzosen, fortwährend fechtend, aus einer Stellung in die andere wichen. Auf der Höhe selbst entbrannte der Kamps aufs neue, das Schlachtfeld zog sich hier über eine Stunde lang hin bis zu dem Dörfchen Fröschweiler, in dessen großem kaiserlichen Schlosse Macmahon sein Hauptquartier aufgeschlagen hatte.
Unterdessen griff eine Division des deutschen 11. Korps Elsaßhausen an. Unter blutigem Kampfe drang man hier Schritt für Schritt vor, bis es und
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116. Die ersten Siege.
die wilde Jagd eilten die Reiter der Stadt zu und ohne Aufenthalt durch. An den Stationen warfen gesunde Fußsoldaten die Verwundeten aus den Bahnwagen und setzten sich selbst hinein. Als der Zug davonsauste, waren alle Wagen überfüllt; auf den Wagendächern hingen sie, an den Türgriffen, auf den Trittbrettern, mit halbem Leibe in der Luft, einige in voller Rüstung, andere halb nackt. Auf der Straße kam nun Fuhrwerk aller Art, Protzen ohne Geschütze, Kanzleikarren, Ambulanzwagen, aber mit Gesunden bepackt. Jetzt sauste und polterte ein zerbrochener Muuitiouskarren einher, dann ein Bauernwagen mit Bettzeug und allerlei Habseligkeiten — ohne ihre Besitzer. Ein Zuave leitete die Pferde, zwei gräßlich verstümmelte Tnrkos lagen auf dem Wagen quer über, ein Haufe unbewaffneter Soldaten klammerte sich außerdem noch oben an. Dann kamen verschiedene Marketenderwagen.
Die Reiterei sämtlicher deutscher Divisionen übernahm sofort die Verfolgung und setzte sie 6 Meilen weit bis Zabern fort. Wie überstürzt die Eile war, womit die Franzosen die Flucht antraten, geht schon daraus hervor, daß Marschall Mac Mahnn selbst seinen Stabswagen, der die Papiere seines Bureaus und seine Briefschaften enthielt, zurückließ. Außerdem wurde die Kriegskasse, bestehend in 360000 Francs, erbeutet sowie zahlreiches wertvolles Troßgepäck. Auch die Bevölkerung der ganzen Umgegend flüchtete in blinder Flucht karawanenartig dem Wasgenwalde zu.
Der Verlust der Frauzosen betrug an Toten und Verwundeten 5000 Mann, an Gefangenen 8000 Mann, darunter 2500 Verwundete. Vonseiten der Deutschen war der Sieg mit einem Verlust von 489 Offizieren, 10 153 Mann an Toten und Verwundeten erkauft. Und doch erschien beim Anblick der eroberten Stellungen diese schreckliche Zahl fast gering! Nachdem die Franzosen die Vormittagsstunden hindurch auch zahlenmäßig die Oberhand gehabt hatten, waren schließlich den 60000 Franzosen in ihrer fast uneinnehmbaren Stellung 90000 Deutsche als Angreifende gegenübergestanden.
Ein trauriges Bild der Zerstörung bot Wörth. Die Häuser der Hauptstraßen waren alle verwüstet, Fenster und Türen zerschlagen und zerschossen.
Langsam brach der Abend über die wechselnden, oft herzzerreißenden Bilder herein. Aber je schwerer der Kampf, um so herrlicher der Sieg. Und diesen hatten die Deutschen in erhebendster Weise gewonnen. Selten wurden Schlachten mit einer solchen idealen Hingebung, mit solcher überschäumenden und alles durchdringenden natürlichen Begeisterung geschlagen wie die Anfangsschlachten dieses Krieges bei Weißenburg und Wörth. Der Gedanke „Vaterland!" und das Bewußtsein dieses vor der rücksichtslosen Mißhandlung eines haßerfüllten geschworenen Feindes zu retten, retten zu müssen beseelte die Brust jedes einzelnen Kämpfers mit feurigem Mute und triumphierte mächtig über alle Gefahren, Anstrengungen, Nöten und Leiden des Kampfes. Ja auch alle Schrecknisse des Todes besiegte das durchmannende Gefühl dieser hohen Aufgabe. Ein wahrhaft homerischer Geist von ursprünglichem Kampfeszorn
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